Der Mensch hat in der Regel Probleme mit der Selbsterkenntnis. Mit dem reflektieren des eigenen Lebens und Handelns. Und der Fähigkeit, daraus Schlüsse zu ziehen.
Wenn das weitere Umfeld noch mit einbezogen werden soll, wenn es über den eigenen Horizont hinaus geht, scheint es für die Menschen noch schwieriger zu werden, objektiv zu beobachten, auszuwerten und zu reagieren.
Kopfschüttelnd sitzt man dann am Wahlabend vor dem Fernseher und sieht sich das Dilemma an.
Und beobachtet eine trunkene Politiker- Riege, die die Songs vom Ballermann oder aus dem Fußballstadion in die Mikrofone und Kameras trällert.
Als ob sie es selbst noch nicht fassen können, daß sie nicht abgestraft worden sind, weil sie das Volk millionenfach in Armut und gestürzt haben.
Aber auch ihnen fehlt es an Selbstreflexion.
Vielleicht mangels Ruhe und Beschaulichkeit in ihrem so aufreibenden politischen Alltag, durch Abgehobenheit oder auch durch den Einfluß von Macht und Karrieredenken.
Na ja, beim normalen Bürger werden es da wohl eher die Existenzängste, das immer schwierigere Auskommen sein, die ihm die Möglichkeit zur Selbsterkenntnis nehmen.
Nun gibt es aber auch Bevölkerungsgruppen, die dennoch in der Lage sind, das Geschehen um sich herum zu beobachten, einzuordnen und Schlüsse daraus zu ziehen. Taten folgen zu lassen.
Und sei es nur, daß sie ihren Unmut in Leserbriefen kund tun oder eine Petition im Internet unterzeichnen.
Das ist immerhin schon weitaus mehr als das, was die Masse macht. Nämlich abschalten.
"Alles zu komplex! Ich lebe mein Leben. Sollen diejenigen Politik machen oder darüber diskutieren, die etwas davon verstehen!“
Und das ist heute scheinbar eines der Hauptprobleme. Der Mensch ist denkfaul und benutzt seinen Intellekt und seine Energie in der Regel nur, wenn es um ganz persönliches, naheliegendes geht.
„Wie finanziere ich das neue Auto, den neuen Computer, das neue Smartphone? Wie kann ich bei dieser bestimmten Frau landen? Wie kann ich ich aus meinen Mitarbeitern noch mehr Profit heraus schlagen?“
Oder eben, er ist dank fehlender oder prekärer Beschäftigung so sehr mit seinem Auskommen befaßt, daß alles andere in seinem Kopf keinen Platz mehr hat.
Nun sollte man annehmen, daß Menschen, die ihre Erkenntnisse über die Auswüchse und Fehlsteuerungen des Kapitalismus nicht nur durch das unterzeichnen von Petitionen und das verfassen von Leserbriefen kund tun, auch die Gabe zur Reflexion haben.
Doch in unzähligen Aufsätzen, Kommentaren und Aufdeckungen über die Missetaten der Politiker, der Lobbyisten, der Industrie und der Finanzwelt bekommt man den Eindruck, daß diese von den Politikern persönlich abgefaßt sind.
Die Menschen sollen über die Ausbeutung aufgeklärt werden, aber man bedient sich der gleichen Sprache wie die Machthabenden.
Wen will man – und vor allem - was will man damit erreichen?
Sicher, die Zusammenhänge in Wirtschaft, Politik und Finanzwesen sind vielfältig. Aber man kann sie auch einem normalen Menschen mit allgemein verständlichen Worten und sogar in erträglichem Umfang erklären.
Es müssen keine seitenlangen Aufsätze sein, die oftmals nur die große Sachkenntnis des Verfassers belegen sollen, aber den Leser durch ihren Umfang und die Wortwahl nur abschrecken.
Den Linken wird ein Schwarzweißdenken vorgeworfen, weil sie ihre Kritikpunkte allgemeinverständlich rüber bringen.
Denn das birgt sicher eine Gefahr. Aber nicht jene, daß da eine Riege von Weltverschwörern herangezogen werden soll.
Nein, die Gefahr besteht darin, daß die Menschen, würden sie den Linken einmal zuhören, vielleicht verstehen würden, wohin der Zug der unsäglichen Ausbeutung und Raffgier der Konzerne und Banken in Deutschland und Europa, ja eigentlich weltweit, führt.
Daß sie mit ihrem fragwürdigen Wohlstandsdenken beileibe nicht die Nutznießer des Systems sind, wie ihnen immer weis gemacht wird, Sondern immer mehr nur das Material, das zur Wertschöpfung notwendig ist. Aber nicht als einzelnes Individuum, denn das ist in diesem System nichts mehr wert.
Mit den Sklaven der modernen Gesellschaft können sie heute verfahren, wie ihnen beliebt.
Man kann sie durch Automatisierung freistellen oder durch noch billigeres „Material“ in Asien oder Afrika ersetzen. Und das passiert unweigerlich in noch höherem Maße, wenn die immer weiter fortschreitende Globalisierung ein weiteres drücken der Löhne bei uns nicht mehr möglich macht.
Denn alles basiert auf Wachstum - auf ständigen Gewinnsteigerungen.
Aufklärung für die breite Masse ist heute wichtig wie nie zuvor. Der Zug der Ausbeutung, des Kapitalismus und des Neoliberalismus, läßt sich sicher nicht mehr aufhalten.
Aber wieso soll die Gegenöffentlichkeit sich nicht der gleichen Mittel wie die Herrschenden bedienen? Die das Volk mit Bildzeitung, Mainstream- Medien und Werbeagenturen auf Spur halten.
DIE erreichen das Volk, und können das fragwürdige Weltbild täglich aufs Neue etwas mehr zementieren.
Wieso soll das nicht auch mit der Wahrheit möglich sein?
Kürzlich erreichte die Nachdenkseiten eine Mail:
- „Ich lese täglich die Nach Denk Seiten mit großer Erwartung kritischer Stimmen zum aktuellen Zeitgeschehen. Dabei ist mir aufgefallen, das diese Plattform ein Format trägt, dass einen, ich möchte sagen, sehr hohen Intellekt voraussetzt. Wenn die Nach Denk Seiten möglichst viele zum Nachdenken anregen sollen, müssten sie als Sprachrohr der zivilen Kritik sich auch den Massen öffnen...
- (bitte hier weiterlesen:)
Man wollte sich der Kritik annehmen und bat die Leser um ihre Meinungen.
Und heute, bereits einen Tag später, wurde die Befragung abgeschlossen.
Aufgrund der dünnen Personaldecke der NDS vielleicht nachvollziehbar.
Aber man kann jetzt wirklich nur abwarten, ob dieses hervorragende Informationsmedium sich seiner eigentlichen Klientel öffnet oder ob es seinen Weg so weitergeht.
Mein Vorschlag: Es braucht einen Ableger fürs Volk! Für den normalen Politik- interessierten Menschen, der sich seinen oftmals auch hohen IQ nicht mit einer akademischen Laufbahn veredeln konnte.
U. Eden